Am Dienstag erreichte uns dieser Beitrag von Herrn Schmitt, der aus seiner Kindheit im Dreieck Freiligrathstraße, Scheidswaldstraße und Wittelsbacherallee berichtet. Und der so treffend die Entwicklung bis heute beschreibt, dass wir sofort nachgefagt haben, ob wir den Bericht auch veröffentlichen dürfen:

„I had a dream“

Von 1954 bis 1973 habe ich den größten Teil meiner Kindheit und meine komplette Jugendzeit in der Freiligrathstr. 5 verbracht. Bis zum Jahr 2000 kam ich immer wieder regelmäßig hierher zurück, um meine Eltern zu besuchen. Daher fühle ich mich dem Quartier zwischen Freiligrathstraße, Scheidtswaldstraße und dem Abschnitt der Wittelsbacher Allee immer noch sehr stark verbunden. Der Bunker prägte mich und meine Spielkameraden aus der näheren Umgebung schon allein aufgrund seiner gewaltigen Größe. Es war uns von unseren Eltern strikt untersagt, das eingezäunte Gelände zu betreten. Wegen Schmutz und Ratten.

Von einem wenig kinderfreundlichen städtischen Gärtner war es uns zudem untersagt, die Rasenflächen zu betreten. Als kleine Kinder hatten wir sehr große Angst vor ihm, wenn er uns mal wieder beim Spielen auf verbotenem Gelände erwischte und uns lautstark drohte. Verängstigt rannten wir dann immer wieder davon. Die Wäschestangen waren ebenfalls i.d.R. tabu, weil damals tatsächlich die Wäsche von vielen Familien noch zum Trocknen nach draußen gehängt wurde. Was blieb uns da noch? Nur die trostlosen asphaltierten Flächen vor den Garagen und eine kleine Sandgrube mit Sitzbank, die wir sehr oft nutzten. Sie gibt es heute nicht mehr. An deren Stelle befinden sich heute ein paar kümmerliche Sträucher.

Also verschafften wir uns immer wieder Zugang zum Bunkergelände, indem wir Löcher in den Zaun schnitten. Wurden diese verschlossen, bohrten wir eben neue. Es war für uns Abenteuer pur, wenn wir uns Gänge durch das enge Gestrüpp freischlugen. Das ging natürlich nicht immer ohne Blessuren ab. Genauso verschafften wir uns gelegentlich Zugang in den Bunker selbst. Durch zerbrochene enge Fensterscheiben. Die eigenen Geräusche in dem absolut dunklen Räumen klangen ein wenig beängstigend. Aber es war einfach aufregend, Verbotenes zu tun. Und es war abwechslungsreich. Es war eben noch nicht die Zeit von Abenteuerspielplätzen. Heute wundere ich mich, dass ich unsere Kindheit als schön in Erinnerung habe. Das lag sicherlich nicht an der Umgebung, in der wir aufwuchsen, sondern am intensiven gemeinsamen Spielen. Und wir waren recht viele Kinder.

Als ich mir vor ein paar Wochen mein Kindheitsquartier ansah, stellte ich fest, dass sich an der Gestaltung unseres „Hofes“ nichts zum Besseren entwickelt hat. Nach meinem Empfinden ist es sogar schlechter geworden. Eine lieblose Außenanlage (Anlage sollte hier eigentlich in Anführungsstriche gesetzt werden), die nicht zum Verweilen einlädt und keine Anregungen für Kinder bietet.

Welche Chance hätte der Abriss des Bunkers geboten, hier ein schönes und wertvolles Innenquartier zu schaffen! Ohne trennende Zäune und Garagen. Mit einladenden Sitzplätzen und einer abwechslungsreichen Bepflanzung zum Erholen und Wohlfühlen. Wie nötig wäre es, nicht nur wegen des Klimawandels ein Stück Natur zurückzuholen! Die Pappeln meiner Kindheit hinter den Garagen gibt es ja wohl schon lange nicht mehr. Nein, so wie es aussieht steht alles weiterhin hauptsächlich im Dienst der Autos und des Profitmachens mit immer mehr verdichtetem Wohnraum.

Es hätte sich doch gelohnt, nach dem Bunkerabriss das ganze Gelände mit (mehrstöckigen?) Tiefgaragen zu versehen und die oberirdischen Garagen komplett zu entfernen. Stattdessen soll ein recht hohes Wohngebäude hingestellt werden. Wer will da eigentlich wohnen? Wer will sich hier wohlfühlen? In einer derart lebensunfreundlichen Umgebung. Ich fürchte, dass sich im Vergleich zu meiner Kindheit weiterhin nichts für die Menschen verbessern wird. Aber ich werde es weiterhin beobachten und mich freuen, dass ich hier nicht mehr leben muss.

Diese Entwicklung ist vermutlich nicht mehr aufzuhalten, obwohl ich es allen Bewohnerinnen und Bewohnern wünsche.